Warum wir etwas nicht tun, obwohl wir wissen, dass es gut für uns wäre und wie wir unser Verhalten ändern könnten – dazu haben wir mit Claus Lamm gesprochen. Lustvoll sollte es auf jeden Fall sein, sagt der Psychologe.
Warum tun wir bestimmte Dinge nicht, obwohl wir wüssten, dass sie gut für uns wären?
Claus Lamm: Weil der Mensch unterschiedliche Motivlagen hat und nur weil wir wissen, dass etwas gut für uns ist heißt das noch lange nicht, dass wir auch motiviert sind es zu tun. In unserem Gehirn spielen sich verschiedene Muster ab, wie kognitive, rationale, moralische oder emotionale Bewertungen. Gesellschaftliche Normen oder die Wissenschaft sind oft entscheidend für unser Verhalten, diese treffen dann auf die persönliche Motivlage – wobei sich beide nicht immer entsprechen müssen. Nur weil etwas als wertvoll bewertet wird, ich aber nicht davon überzeugt bin, kann es viele Motive geben, die dem entgegen sprechen.
Auf das Sportbetreiben umgelegt bedeutet das?
Wenn ich abends nach Hause komme, weiß ich, dass es richtig wäre, jetzt Sport zu machen und ich habe mich auch schon innerlich damit beschäftigt. Aber ich bin müde oder erschöpft , finde also eine Ausrede wie zum Beispiel: es ist kalt, es ist dunkel oder es ist vielleicht sogar gefährlich. Gründe um nicht auszubrechen aus der Gewohnheit gibt es hunderte. Man kann das nicht eindimensional betrachten und das macht den Menschen und die Vorhersehbarkeit seines Verhaltens so komplex.
Glauben Sie, kann man Läuferinnen und Läufer überzeugen nicht mehr mit ihrem Auto zum Start ihrer Laufstrecke am Waldrand zu fahren?
Die Grundsituation ist dieselbe, aber der Nutzen ist viel abstrakter. Ich selbst habe nichts von einer veränderten Lebensweise, das haben erst meine Kinder und deren Nachkommen. Wir können das am Thema „Autofahren“ durchspielen und uns den Nutzen konstruieren: wenn ich statt dessen mit dem Zug fahre, dauert die Fahrt statt einer Stunde zwei Stunden. Das wäre eigentlich ein Nachteil, weil ich Zeit verliere. Dann könnte ich für mich herausholen: ich gewinne eine Stunde, weil ich in dieser Zeit etwas lesen oder arbeiten kann. Stichwort: Tele-Arbeit, das ist Heimarbeit in der ich über ein elektronisches Kommunikationsnetz mit verschiedenen Auftraggebern und Arbeitskollegen verbunden bin. Sie beginnt im Zug und gilt schon als Arbeitszeit.
Könnten Gesetzgeber und Arbeitgeber dafür Anreize setzen?
Sie könnten mithelfen den Nutzen, der sonst abstrakt und nicht so spürbar ist, sichtbarer zu machen. Wenn ich zum Beispiel als Unternehmer ein Dienstauto anbiete oder einen großen MitarbeiterInnenparkplatz, dann vermittle ich, dass das Auto etwas Gutes ist, es zu deinem Status gehört und du das Recht hast, es zu benutzen. Wenn ich jedoch Firmenfahrräder anschaffe und ich mich bei der Politik bemühe, dass um die Firma herum Radwege geschaffen werden und wir in der Firma Duschen einrichten und die Möglichkeit schaffen, Fahrräder im Trockenen abzustellen, setze ich ein anderes Signal. Das würde vielleicht auch negativen Erfahrungen entgegenwirken, die man mit dem Radfahren verbunden hatte, wie z.B. durchnässt in einem Meeting zu erscheinen. Hier kann ich als Firma eine Leitlinie vorgeben, auf die alle gemeinsam hinarbeiten. Schließen sich genügend Menschen dieser Norm an, kann sich dem keiner mehr entziehen. Dann lasse auch ich mich mitreißen, weil ich auch nicht mehr der Außenseiter bin, der mit dem Rad zur Arbeit fährt.
Und wie konstruiere ich hier den persönlichen Nutzen?
Indem ich erlebe, dass ich mich körperlich und geistig fitter fühle, wenn ich mit dem Rad zur Arbeit fahre, erspare ich mir vielleicht auch die Sporteinheit am Abend und kann statt dessen etwas anderes machen. Oder ich mache noch mehr Sport als bisher. Habe ich erst einmal eine Gewohnheit etabliert, wird vielleicht etwas, das ich am Anfang als negativ angenommen habe, positiv oder neutral.
Es ist ein schöner Gedanke mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, aber in Tirol nicht für jeden möglich. Distanzen, Arbeitszeiten, …
Was sich gut und schlecht anfühlt, ist eigentlich keine vorgegebene allgemein gültige Wahrheit, sondern extrem davon abhängig wie oft ich etwas mache und in welchem Kontext. Wie gut ist es integriert in meine sonstige Lebensführung? Reißt es mich raus oder ist es gut integrierbar? Ein Schichtarbeiter, der um 5 Uhr morgens seinen Dienst antritt , wird nicht eineinhalb Stunden mit den Öffis dorthin fahren wollen, wenn er mit seinem PKW dafür nur dreißig Minuten braucht. Bin ich ein Büroarbeiter wird es leichter, den Zusatznutzen wahrzunehmen. Das Grundmotiv für nachhaltiges Handeln ist vor allem auch der übergeordnete Nutzen, also der Nutzen für die Allgemeinheit, und von dem profitiert man ja auch selber.
Sie sprechen in ihren Vorträgen immer wieder von der Klimaschutzdiät. Wie kann man sich diese vorstellen?
Wenn ich abnehmen will, ist es sinnvoll keine Schokolade oder Chips zu kaufen, denn sobald so etwas im Kühlschrank liegt ist die Versuchung groß. Übertragen auf das nachhaltige Verhalten heißt das: wenn ein 250 PS Bolide in meiner Garage parkt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich ihn auch nutzen werde, weil ich unglaublich viel Geld dafür ausgegeben habe und ihn herzeigen will. Man muss das in seinem Umfeld so gut gestalten, dass man erst gar nicht in Versuchung kommt oder wenn man dem nicht ausweichen kann, sich mit Leuten umgeben, die offen ihre Meinung sagen: okay, jetzt hast du über die Stränge geschlagen, aber eigentlich haben wir beschlossen, ab jetzt mit dem Rad zu fahren. Sich in einem Umfeld nachhaltig zu verhalten, in dem alle nur Autofahren wird schwierig sein.
Danke, für das Gespräch!
Claus Lamm ist gebürtiger Vorarlberger und Professor für Biologische Psychologie. Er leitet die Social, Cognitive and Affektive Neuroscience Unit an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Begegnet sind wir ihm im Rahmen eines Symposiums zum Thema „Zukunft denken“ an der Sowi in Innsbruck.
Unser Buchtipp zum Thema: “Ökologische Intelligenz: Wer umdenkt, lebt besser” (Daniel Golemann) Ein Buch das inspiriert! Daniel Golemann schwingt nicht die Moralkeule und es ist auch nicht sein Anliegen die Umweltsünder dieser Welt zu verdammen. Vielmehr zeigt er in Beispielen, warum es sich lohnt, auf die Natur Rücksicht zu nehmen. Er zeigt auch in welchen Situationen es sinnvoll wäre und finanzielles Einsparungspotenzial mit sich brächte – aber an der Umsetzung scheitert.