Es begann, wie es oft begann: Einige Organisatoren von Laufveranstaltungen definierten sich nicht mehr über Strecke und sportliche Herausforderung, sondern über das „Lauferlebnis“. Da wurde wie beim Vienna City Marathon, einem der größten seiner Zunft, ein Spektakel bei klassischer Musik angekündigt. Laufen zu den Klängen Mozarts oder Schuberts – möglicherweise schmerzt es dann weniger, wenn sich ab Kilometer 30 der Mann mit dem Hammer ankündigt. Doch das war beileibe nicht alles: Die Verpflegung würde allen Geschmäckern entsprechen, das Starter-Paket diesmal besonders wertvollen Inhalt bergen. Und überhaupt: Die Ausgaben für die Veranstaltung seien hoch wie nie – Einsatzkräfte, Personal, Service gingen eben ins Geld. Deshalb auch die Anhebung des Nenngelds, euphemistisch auch Anpassung genannt. Das gerne überhörte Gegenargument, dass die öffentliche Hand auf der anderen Seite das Sporttreiben der Bevölkerung finanzkräftig unterstützen und Kosten minimieren sollte, geht unter. Ob der Läufer dabei vergisst, dass sich die Teilnahme an einem Marathon schon verdächtig der magischen 100-Euro-Grenze nähert? Wohl kaum. Bei Radmarathons und Ironman-Veranstaltungen wurde diese ohnehin längst überschritten, Geld gehört dort zum Rennen wie das teure Sportgerät.
Das Argument von Marathon-Veranstaltern wie Wolfgang Konrad (Wien), dass man ja „etwas geboten“ bekomme, greift zu kurz. Die Preisspirale für den Start bei einem Laufrennen dreht sich unaufhörlich nach oben, im Gegenzug scheint die Industrie nach wie vor großes Interesse daran zu haben. Was also erklärt diese zunehmende Kommerzialisierung einer Sportart, von der es einst hieß, sie sei die natürlichste und am einfachsten zu finanzierende auf dieser Welt? Schuhe, Hose, T-Shirt und sonst nichts, das war offensichtlich einmal. Alle Medien werden bedient, das Smartphone mit einer erklecklichen Anzahl an Apps zur Selbstkontrolle und Trainingssteuerung ist nur eine der geläufigen Formen. Oder die Einflussnahme der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie. Der Laufsport hat so gesehen seine Unschuld verloren. Und mancher Nostalgiker sehnt sich zurück nach einfachen Philosophien, wie wir sie aus Buch-Klassikern kennen. Etwa „Born to run“, der Erfahrungsbericht des Journalisten Christopher McDougall. Der begab sich nach einer Zeit der Kortisonspritzen und Hightech-Turnschuhe in die Copper Canyons von Mexiko, um dem menschlichen Bewegungsdrang in seiner ursprünglichen Form auf den Grund zu gehen. Wir werden die Zeit nicht bis zu den Tarahumara zurückdrehen können. Aber dem, was den Sport ausmacht, ist dieses Volk näher als unsere Gesellschaft. (Florian Madl, Leitung Sportredaktion Tiroler Tageszeitung)