Wir treffen uns in der Stadt
von Florian Madl, Redaktionelle Leitung Sport Tiroler Tageszeitung
Es gab Zeiten, da waren sportliche Volksaufläufe in Tirol nicht ungewöhnlich. Das änderte sich, was sich nirgendwo besser erkennen lässt als etwa bei den Landesmeisterschaften der Leichtathletik. Heute ein Familientreff, vor Jahren noch ein hochwertiger Brennpunkt von Protagonisten, die sogar international etwas zu melden hatten. Dazu zählten Leute wie Andreas Steiner, Helmut Haid oder Wolfgang Konrad. Und gerade Letzter symbolisiert mit der Organisation des Wien-Marathons die Renaissance der Szene. Kurios, dass der Aufschwung des größten Straßenlaufs Österreichs in den 90ern nahezu parallel zum größten Tirols erfolgte – dem Innsbrucker Stadtlauf. Hier 40.000 Teilnehmer, dort 3000.
Das Konzept beider ähnelt sich, wenn auch auf die jeweiligen Gegebenheiten zugeschnitten. Das Event ging im Osten wie im Westen mit der Zeit, es begann beiderorts mit dem Startschuss, endete aber im Gegensatz zu anderen nicht mit der Siegerehrung. Musik trat in den Vordergrund, Mottos gaben dem Sporttag ein Gesicht, zahlreiche Bewegungsstation motivierten die nicht gegen die Uhr laufenden Anwesenden (Zuschauer) zum Mitmachen. Eines Tages, das wussten auch diese nach einem abwechslungsreichen Vor- und manchmal auch Nachmittag, würden auch sie einmal mitlaufen. Kann es eine größere Würdigung für eine Veranstaltung geben, als wenn sie für viele Teilnehmer den Saisonhöhepunkt darstellt?
Der Stadtlauf hat mittlerweile etwas, das man sich nicht kaufen kann: Tradition.
Der Stadtlauf hat mittlerweile etwas, das man sich nicht kaufen kann: Tradition. Nicht aus dem Boden gestampft, sondern eben stetig gewachsen. Von eifrigen Helfern begleitet, mit einem mehr oder weniger gleichbleibenden Kurs durch die Innenstadt. Tirol hat sich ein sportliches Vorzeigeprojekt geschaffen, auf das sich die Hoffnungen vieler Einheimischer konzentrieren. Und mit eben jenem Modell steuert der Innsbrucker Stadtlauf in einem touristisch dominierten Land den Bestrebungen anderer Organisatoren entgegen, die ihre Sache zwar genauso gut, aber eben nicht den Einheimischen angepasst betreiben. Bei Klassikern wie dem Ötztaler Radmarathon (4000 Teilnehmer) liegt der Anteil heimischer Sportler bei rund zehn Prozent.
Mit dem Verzicht auf ein Antrittsgeld setzen die Verantwortlichen ein Zeichen und signalisieren auch dem Hobbyläufer: Du bist uns genauso wichtig wie jener Sportler, der das Ziel eine halbe Stunde früher erreicht. Dich wollen wir zum Sport motivieren – der Spitzenläufer bedarf dieser Moralinjektion nicht. Die Teilnehmerstatistik dokumentiert die Ausnahmestellung: Knapp ein Drittel weiblicher Starter werden registriert – ungewöhnlich. Gleiches gilt für die hohe Zahl junger Starter, denen beim Stadtlauf ein Schwerpunkt gewidmet ist. Und dass ausgerechnet Schüler den Ablauf garantieren, die sich freiwillig in den Dienst der Sache stellen und Essen verteilen oder Medaillen basteln, verleiht dem Sporttag eine besondere Note.
Kaum eine Veranstaltung in Tirol weist ähnliche Authentizität auf wie der Innsbrucker Stadtlauf. Die Teilnehmer haben das längst erkannt, die Medien wohl auch. Für jene Gruppe, die mit ihrem Sponsoring die Umsetzung ermöglicht, gilt das noch lange nicht.