Wo sind sie geblieben?
Kann und darf ein Stadtlauf ganz ohne Laufelite auskommen? Immer weniger von den Läufern, die ich als Zuseher beim Innsbrucker Stadtlauf gerne sehen möchte und die mich mit ihrer Leistung beeindrucken, sind am Start. Denn sie – die wirklich Guten – fehlen. Dafür sehe ich immer mehr von denen, die vermeintlich gut sind. Also frage ich mich, wo die wirklich Guten geblieben sind.
Auf der Suche nach dieser Laufelite bei anderen Stadtläufen ist dann schnell ersichtlich, dass die Guten auch dort nicht oder nur vereinzelt zu finden sind. Es scheint also, dass diese Spezies auszusterben droht. Aber warum? Für mich als Insider ist die Antwort eine sehr klare: Jahrelanges oder sogar jahrzehntelanges sehr intensives Training, also Woche für Woche Schmerzen im Training zu erleiden und immer wieder physisch und mental an die Grenze zu gehen, ist kein attraktiver Weg mehr für die Jugend bzw. für den Sportler.
Angesagt sind nicht Schmerzen und Entbehrungen, sondern risk and fun.
Die Zeiten, in denen Leichtathletik als Mutter aller Sportarten die Jugend in den Bann gezogen hat, sind wohl vorbei. Neben dem Wandel zu „Risk and fun“ fehlen in dieser aussterbenden Sportart dann natürlich irgendwann auch die in den Bann ziehenden Vorbilder. Und das leidige Thema Doping nagt auch an der Faszination. Also eine schlechte Mixtur, vor allem für die Breite in der Eliteklasse.
Übrig bleiben dann nur noch einzelne Eliteathleten und eine mittlerweile sehr große Breite an „ambitionierten Sportlern“, die es dann auf das Stockerl schaffen und in der Kommunikationswelt schnell zu neuen Helden werden. Leider ist die Leistung dieser Läufer aber weit weg von den Stockerl-Leistungen vergangener Tage, was zu einer (vorerst) nicht erkannten Verschiebung der Realitäten führt. Was also jetzt sehr gut erscheint, war früher nur mittelmäßig. Zu befürchten ist auch, dass diese Situation, die ich „nur“ bei einem Stadt- oder Volkslauf sehe, ein Spiegel unserer Gesellschaft ist.
Darum möchte ich wieder mehr von den wirklich Guten am Start sehen. Vielleicht auch um den Preis, dass der Veranstalter gute Athleten um gutes Geld einlädt.
Andreas Tomaselli, ehemaliger Spitzenläufer und Trainer